Die Retrospektive Leopold Koglers Repertoire der Bildwelten
„Es gibt zwei Arten von Künstlern, und die eine ist der anderen nicht im mindesten überlegen. Aber die eine reagiert auf die bisherige Geschichte ihrer Kunst, und die andere auf das Leben selbst“
(David Shields, Reality Hunger. Ein Manifest)
Überraschender könnte das Entree einer Ausstellung nicht sein, als jenes, dass den Besucher beim Betreten der Retrospektive Leopold Koglers im Landesmuseum Niederösterreich empfängt, kennt man ihn aus den letzten Jahrzehnten doch als Maler, dessen thematischer Schwerpunkt die Natur ist, die in farbenreichen Impressionen interpretiert wird.
Die Ausstellung setzt jedoch einen Schwerpunkt auf frühe Arbeiten Leopold Koglers. Mit Fotocollagenserie aus den 1970er Jahren eröffnet die Schau. Bei der Werkgruppe
„Délemele“ erschließt sich ein facettenreiches Spiel mit Darstellungsformen, wie Collage, Fotografie, Zeichnung und Schrift. Die Blätter reflektieren die Suche eines jungen Künstlers und zeigen dabei auch die Freude am Erproben unterschiedlicher Ausdrucksformen.
Zunächst steht das Selbstporträt im Mittelpunkt (S. 17- 20) von Leopold Koglers Schaffen. Das Abbild wird fragmentiert ins Bild gesetzt und damit zur zeichenhaften Analyse des eigenen Standpunktes. Es fällt auf, dass sich der Künstler isoliert auf der weißen Fläche des Papiers wiedergibt. Immer weist der Raum der Person ihren Platz zu. Eine Ausnahme findet sich in dieser Hinsicht mit einem subtilen Blatt der Serie bei dem erstmals eine Verbindung des figurativen mit der Umgebung gelingt. Es zeigt ein Gesicht, dass aus Blättern des Eukalyptusbaumes gebildet wird. Die schmalen Blätter sind linear angeordnet, sodass sich ein Gesicht aus dem Naturmaterial in bestechender Einfachheit herausformt. (S. 31) Doch ist mit dieser Arbeit noch kein Thema fixiert, kein Mittel festgelegt, keine Form als eigen definiert. Es folgt ein Reigen an Variationen: Zeichnungen auf Leinen, schlicht und reduziert wie bei der „ Madonna dolorosa“ ( S.33) witzreiche Spiele mit Schrift, wie bei dem aus dem Schriftzug Leopold Kogler gezogener Handumkreis (S. 36) , Versuche mit der Haptik des Materials (S. 38f), geometrische Flächenteilungen ( S. 66) , Frottagen. (S. 81). Ein Blick auf die Biografie Leopold Koglers gibt eine Begründung für diese variationsreiche Ausformung. Die Arbeiten entstandenen zwischen 1976 und 1978, in einer Phase also, als Leopold Kogler bei Oswald Oberhuber an der Hochschule für angewandte Kunst studierte. Oberhubers Diktum, „dass jedes Bild neu sein soll“, könnte hier maßgeblich gewirkt haben und auch Kogler betont die Bedeutung seines Lehrers für sein Bildverständnis.
In der folgenden Dekade wechselt Leopold Kogler Technik, Motiv und Ausdrucksform in radikaler Weise. Die Ausstellung reflektiert seinen Fokus auf Landschaftsbilder und Darstellungen von Menschen nun in expressiver Buntfarbigkeit in gestischem Malstil. In Acryl auf kleinem Format realisiert Leopold Kogler Figuren, die von Pinselspuren und Farbhieben eingeengt scheinen. Farbkontraste und Konturen betonen auch bei der Serie „Gesichtete Gesichter“ die Grenze zwischen Innen und Außen. (S. 90f) In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entstehen Reißbilder nun in Ölfarbe auf Papier, farbüberbordende Eruptionen mit Andeutungen von Köpfen und Landschaften ( S. 135f). Die Bildform selbst zeigt sich als Fragment: Leopold Kogler wählt nun gerissenes Papier, zufällig in Form und Größe. Der Raum des Bildes wird als Raum des Geschehens definiert.
In den 1990er Jahren startet Leopold Kogler mit einem neuen Konzept. Er arbeitet jetzt auf großformatigen Leinwänden und entwickelt zwei entgegengesetzte Blickpunkte zum Thema Landschaft: „Fernblicke“ und „Nahsichten“. Die Landschaft wird nun als Empfindungsraum interpretiert und hat keinen Bezug zum Gesehenen mehr. Während bei den „Fernblicken“ Farbräume mit Licht durchflutet werden, eröffnet sich mit den „Nahsichten“ ein gezoomter Ausschnitt auf Naturdetails.
Mit der, eine Wand umfassenden Hängung der Serie „lightscapes“ führt die Ausstellung in die jungsten Schaffensjahre. Bei dieser kleinformatigen Werkgruppe in Pigment und Emulsion entwickelt Leopold Kogler eine lumineszierende Methode das Abbild aufzulösen. Der Mensch ist in den Bildern nicht mehr zu sehen. Die Auflösung des Raumes ist hier vollzogen.
In vier Jahrzehnten hat Leopold Kogler ein scheinbar gegensätzliches Repertoire an Bildwelten generiert, die auf einem freien Umgang mit Motiven und Darstellungsformen basiert. Dem Experiment der Anfangsjahre steht die Einbettung in klassische Verfahrensweisen der Malerei gegenüber. Dem Suchen nach Themen steht die Auseinandersetzung mit der Darstellung des Menschen und der Natur gegenüber. Der Beschäftigung mit der Tradition der Malerei hält Leopold Kogler das unmittelbar Reagieren auf Gegenwärtiges entgegen. Es ist eine Form des dialektischen Widerspruches, die der Blick auf seinen Werdegang offenlegt. Das Experiment und das Zitat, die Gegenwart und die Vergangenheit verbinden sich hier ebenso zu einem künstlerischen Statement wie das gesamte Spektrum an Techniken und Methoden. Die Polyvalenz Oberhubers hat in Leopold Kogler einen gewandten Verteidiger gefunden. „ Wir leben in einer Welt in der viele Gedanken nebeneinander existieren,“ sagte Oswald Oberhuber in einem Gespräch zu Alfred Hrdlicka, „den Ruhepunkt einer Aussage will man nicht.“ ( OO in: OO. Klassik, Galerie Hilger, Wien 1983 o.S.) In diesem Sinne wird Leopold Kogler nicht müde, der Kunst und der Welt immer neue Aussagen abzuringen.
Der roter Faden seines Werkes findet sich in der Beziehung zwischen dem Subjekt und der Welt.